Konfliktmanagement

July 10, 2021 0 By Andrew Delay

Umgang mit Konflikten und schwierigen Situationen

Konfliktmanagement ist ein Thema, dass mich schon etwas länger beschäftigt. Es kommt mir so vor, als würden viele Konflikte nicht in einer Form ausgetragen werden, die für dessen Lösung förderlich wäre. In Medien und im Internet findet man die stärksten Beispiele dafür. Hier sitzen sich die Konfliktparteien nicht einmal gegenüber und reden miteinander, sondern jede Konfliktpartei redet nur mit den eigenen Anhängern darüber, wie falsch die Position des anderen ist. Aber zu denken, dass Konfliktmanagement eine Fähigkeit wäre, die nur in der Politik anwendbar ist, schöpft dessen Potential bei weitem nicht aus. Bei jeder Interaktion im täglichen Leben können Konflikte entstehen. Fehlt bei kleinen Konflikten schon die Fähigkeit, einfühlsam auf die Bedürfnisse des anderen einzugehen, so besteht die Gefahr, dass aus diesen kleinen Konflikten ein Krieg wird, samt Koalitionen, Angriffen und Racheakten. Konfliktmanagement ist also eine Fähigkeit, die jedem Menschen etwas bringt und in allen Lebensbereichen Anwendung finden kann.

Aber was ist denn eigentlich ein Konflikt? Auf globaler Ebene fallen einem schnell die großen und bekanntesten Konflikte ein, von denen manche schon Generationen währen. Israel und Palästina, Russland und die osteuropäischen Staaten, China und Taiwan. Konflikte im persönlichen und zwischenmenschlichen Bereich können subtiler und schwerer als solche erkennbar sein – besonders wenn sie noch am Anfang stehen. Die Definition eines Konflikts nach Thomas Jordan beschreibt es meiner Meinung nach sehr gut. Siehe dazu auch diese Seite von der bpb.

Ein Konflikt ist eine Interaktion zwischen mindestens 2 Parteien, in der mindestens eine Partei
a) Wünsche hat, die sich zu wichtig fühlen, um sie aufzugeben und
b) die Wahrnehmung hat, dass die andere Partei die Erfüllung dieser Wünsche verhindert.

Ein Konflikt kann schnell eskalieren, wenn keine Seite gewillt ist, die Bedürfnisse der anderen Seite zu hören und zu verstehen. Die 9 Stufen der Konflikt-Eskalation nach Friedrich Glasl quantifizieren den Verlauf eines schlimmer werdenden Konflikts.

Am Anfang steht die Verhärtung der Positionen beider Parteien. Bei diesem Stadium erkennen beide Parteien, dass sie bei in einer Position nicht übereinstimmen. Manche Konflikte enden schon bei diesem Stadium, besonders wenn die Positionen beiden Parteien nicht am Herzen liegen – wenn es um etwas triviales geht, beispielsweise.

Ist die Sache aber beiden Parteien wichtig, so kommt es zu einer Debatte. Eine Debatte ist durchaus eine gute Sache, wenn beide Parteien einfühlsam aufeinander eingehen und sich gegenseitig den Raum geben, ihre Argumente voll darzulegen. Eine Debatte kann beide Parteien näherbringen und ein tiefes Gefühl gegenseitigen Verständnisses erwirken und zu einem Gewinn an Wissen über die Sache führen, da beide Konfliktparteien die Sache aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten – sonst käme es ja nicht zu einem Konflikt.

Wird jedoch die Debatte nicht auf Augenhöhe geführt, kann der Konflikt weiter eskalieren. Es reicht schon, wenn sich eine Partei unverrückbar im Recht fühlt. Sich auf diese Weise überlegen zu fühlen verhindert eine einfühlsame Kommunikation mit der Konfliktpartei, da man ihre Positionen a-priori als falsch abtut. Man schüttelt beispielsweise den Kopf und wiederholt „nein, nein, nein“ während das Gegenüber redet und man unterbricht sich gegenseitig.

In der nächsten Eskalationsstufe bezieht andere Menschen mit ein, um Koalitionen zu bilden und sich weiter von der gegnerischen Seite abzugrenzen. Man wiederholt dogmatisch die eigenen Thesen in der eigenen Koalition ohne sie zu hinterfragen. Treffen die Konfliktparteien aufeinander, so sieht die Debatte mehr wie eine Schlammschlacht aus.

Wird die Debatte persönlich – d.h. es geht nicht mehr um die Sache, sondern um die Menschen, die für die Sache stehen – bahnt sich schnell die nächste Konfliktstufe aus: Der Gesichtsverlust. Manchmal hilft hier nur noch eine neutrale Instanz, der beide Konfliktparteien vertrauen, um im Konflikt zu vermitteln. Die neutrale Instanz ist im Konflikt ein Mediator und mediiert zwischen den beiden Streitparteien. Fehlt aber ein Mediator, so kann es schnell gefährlich werden. Drohungen werden ausgesprochen – eine Abkühlung der Situation scheint nicht mehr möglich. Die letzte Eskalationsstufe ist das Anwenden von Gewalt. Gewalt in Wörtern und in Taten, die bis zum Mord führen können.

Wie man also sieht, liegt der entscheidende Moment für einen positiven Ausgang eines Konflikts schon an dessen Anfang, wenn beide Parteien sich noch mit Würde begegnen können. Die Gewaltfreie Kommunikation (GFK) nach Marshall B. Rosenberg ist eine Methode, einfühlsam mit dem Gegenüber zu sprechen und wird bei kleinen wie großen Konflikten von professionellen Mediatoren angewandt. Selbst in der Schule wird die GFK beigebracht, damit Kinder früh lernen, ihre Gefühle und Bedürfnisse auszudrücken.

Um die GFK zu erläutern bediene ich mich an einem frei gewählten Beispiel. Eine Situation, die wohl vielen schon passiert ist. Man wohnt mit einer anderen Person im gleichen Haushalt und diese Person hat die Angewohnheit, dreckiges Geschirr in das Waschbecken zu legen, statt sie gleich in die Spülmaschine zu räumen. Man beobachtet diese Angewohnheit schon länger, hat aber die Person bisher nicht darauf angesprochen. Man wird regelrecht wütend jedes Mal, wenn wieder ein benutztes Messer oder eine Gabel in der Spüle liegt. Schließlich hat man genug und konfrontiert die Person mit ihrer Angewohnheit. Wie könnte die Situation aussehen?

„Kannst du bitte aufhören, dein dreckiges Geschirr in die Spüle zu
legen!?“ platzt es heraus. Die Person fühlt sich überrumpelt und angegriffen und erwidert: „Warum, so weicht es doch ein bisschen ein, bevor man es in die Spülmaschine kommt!“

War das einfühlsam? Man selbst hat Dampf abgelassen, aber wurde das Bedürfnis nach einer aufgeräumten Spüle vermittelt? Die andere Person verstand es als Angriff, nicht als Bitte, und hat sich entsprechend verteidigt. Ich habe hier eine sehr harmlose Meinungsverschiedenheit beschrieben. Es kam zu keiner Beleidigung, zu keiner Anschuldigung. Und doch merkt man, dass der Konflikt nicht beseitigt wurde, nicht mal richtig angesprochen wurde. Wieso? Weil man nicht auf Gefühlsebene kommuniziert hat.

Ich bringe hier absichtlich spät das Thema „Gefühle“ ins Spiel, da das Wort eine sehr geladene Bedeutung hat. Viele Männer scheuen es, über ihre eigenen Gefühle zu reden, da es nicht klassisch „männlich“ ist es zu tun. Aber in den Gefühlen liegt der Kern einer Konfliktresolution, die es beiden Parteien ermöglicht, sich durch die Meinungsverschiedenheit auf persönlicher Ebene anzunähern, statt sich abzuschotten.

Wie würde im oben genannten Beispiel eine einfühlsame Kommunikation aussehen? Versetzen wir uns wieder an den Anfang unseres Beispiels, bevor

man jemals über das Thema gesprochen hat: Man ertappt den Mitbewohner dabei, wie er benutztes Besteck in die Spüle legt. Man will es nicht mehr unausgesprochen lassen, entscheidet sich aber für eine einfühlsame Sprache.

„Wenn ich sehe, dass du deinen benutzten Löffel in die Spüle legst, macht mich das wütend, denn ich habe gerne ein aufgeräumtes Waschbecken. Es stört mich, wenn benutztes Besteck in der Spüle liegt. Könntest du bitte deinen Löffel gleich in die Spülmaschine räumen?“

Was wurde hier anders vermittelt? Man hat zunächst die Beobachtung geschildert und das dadurch entstehende Gefühl, gefolgt von dem klar formulierten Bedürfnis, das durch die Handlung verletzt ist und erst zuletzt die Formulierung der Bitte an die Person. Das sind die 4 Schritte der gewaltfreien Kommunikation nach Rosenberg:

  1. Beobachten ohne zu beurteilen oder zu bewerten.
  2. Gefühle feststellen, die wir haben, wenn wir die Beobachtung machen.
  3. Bedürfnisse formulieren, die hinter diesen Bedürfnissen stehen.
  4. Bitten aussprechen darüber, was jemand tun kann, um das Bedürfnis zu befriedigen.

Einen Konflikt so anzusprechen bedarf erst einmal einer inneren Arbeit. Schon das Feststellen des eigenen Bedürfnisses ist in vielen Situationen für einen selbst eine völlig neue Erkenntnis. Die eigenen Bedürfnisse zu kennen erlaubt es aber erst, die Debatte zielführend zu halten. Klar ausgesprochene Bedürfnisse und Gefühle geben der Debatte einen menschlichen Bezug und verhindern das Ausarten der Debatte in einen verbalen Schlagabtausch.

Gewaltfreie Kommunikation wird in der Mediation, also der Vermittlung zwischen Konfliktparteien, genau deswegen so gerne angewendet und hat viele Erfolge auf internationaler Ebene zu verbuchen. Aber dennoch sieht man in der öffentlichen Debattenkultur so wenig davon. Wieso? Eine Debatte, die in gewaltfreier Kommunikation geführt wird, ist langsamer und hat diplomatische Züge. Sie kühlt die Stimmung ab und heizt sie nicht weiter auf. Gerade in Wahlkämpfen profitieren die Kandidaten aber von einer aufgeheizten Stimmung, bei der sich die Lager trennen und sich gegenseitig beschuldigen. So kommt es zu einen „wir gegen die“ Gefühl, das die eigene Seite eint. Schließlich wird gewählt und da will man gewinnen, der Macht wegen. Wie würde der öffentliche Diskurs sich verändern, wenn immer in Bedürfnissen und Gefühlen kommuniziert wird?

Über Gefühle zu reden ist für viele Menschen sehr heikel. Man offenbart sich, zeigt die weichen Stellen seiner Seele. Man macht sich verletzlich. Für viele ein absolutes no-go, besonders in der Öffentlichkeit. Im Privaten, in Beziehungen und Freundschaften, erlaubt aber erst solch eine Kommunikation eine Tiefgründigkeit, die das Vertrauen ineinander stärkt. Es ist wie der Vertrauenstest, bei dem man sich nach hinten fallen lässt und der andere fängt einen auf. Man offenbart sich, gibt Bedürfnisse zu und hofft, dass diese nicht mit Füßen getreten werden.

Die eigenen Gefühle überhaupt benennen zu können ist aber nicht für jeden einfach, sowohl für Männer als auch für Frauen. Hier ist eine harte Unterscheidung fällig zwischen echten Gefühlen und sogenannten Pseudogefühlen. Denn nicht jeder Satz, der das Wort „Gefühl“ beinhaltet ist auch ein Ausdruck eines echten Gefühls. „Ich habe das Gefühl es wird heute regnen.“ ist beispielsweise kein Ausdruck eines Gefühls, sondern mehr die Aufstellung einer Vermutung. Adjektive wie entspannt, neugierig, zuversichtlich, besorgt, nervös oder wütend sind hier eher passend und geben dem Gegenüber Aufschluss über den eigenen inneren Zustand. Es ist wichtig, eigene Gefühle dem Gegenüber auszudrücken, da über diese Gefühle sonst nur Vermutungen aufgestellt werden können. Vermutungen anhand von Gesichtsausdrücken, Tonlage und Wortwahl können jedoch häufig falsch sein und zu einer Falscheinschätzung der Situation führen. Offen über Gefühle zu reden ist daher ein wichtiger Teil in der Beilegung eines Konflikts.

Der andere Teil, der einem selbst erst einmal schwerfallen kann ist um die eigenen Bedürfnisse zu wissen. Eine Person hat dies und jenes gesagt oder getan, aber warum fühle ich mich deswegen wütend? Welches Bedürfnis wurde dabei verletzt? Bevor man in einen Konflikt eintritt, ist es wichtig das eigene Bedürfnis genau benennen zu können, sonst kann der Konflikt nicht zielführend beigelegt werden! In der oben beschriebenen Situation war es das Bedürfnis nach Aufgeräumtheit, welches verletzt wurde. Beispiele für Bedürfnisse sind z.B. Unabhängigkeit, Entspannung, Sinn, Privatsphäre und Wertschätzung.

In meiner persönlichen Erfahrung in der Vereinsarbeit habe ich die GFK schätzen gelernt. Viel zu oft habe ich es erlebt, dass kleine Auseinandersetzungen schrittweise in offene Feindschaften eskalierten. Dabei werden auf beiden Seiten durchaus verschiedene Bedürfnisse verletzt. Eine Partei sieht ihr Bedürfnis nach Sauberkeit verletzt aber ist verbal angriffslustig

und persönlich beleidigend, sodass die andere Partei ihr Bedürfnis nach Wertschätzung verletzt sieht. Diese verletzten Bedürfnisse benennen sie jedoch nicht, sodass in den Schlagabtauschen nur Schuldzuweisungen ausgesprochen werden ohne den Versuch einer Annäherung. Dann kommt es zum Abbruch der Kommunikation. Die beiden Parteien gehen sich aus dem Weg bis schließlich jemand aus dem Verein austritt, was den Konflikt beilegt, ohne dass er gelöst wurde.

Besonders spannend finde ich das Anwenden der GFK wenn das Gegenüber die GFK nicht anwendet. Denn man kann mithilfe der GFK die Gefühle und Bedürfnisse des anderen herauslocken und dadurch den Konflikt entschärfen. In meiner Erfahrung nimmt das die Spitze aus der Konfrontation. Die Person, mit der man im Konflikt steht, ist dann oft im ersten Moment überrascht, kehrt ihre Aufmerksamkeit nach Innen und fühlt sich dann bekräftigt, ihre eigene Position besser formulieren zu können. Das ist tatsächlich einem guten Ausgang des Konflikts förderlich. Man möchte schließlich im Konflikt ein gegenseitiges Verständnis erzielen und nicht den anderen klein machen. Die Beziehungen zu Menschen, mit denen ich im Konflikt war, ist nach dem Konflikt oft tiefer geworden.

Dieser Text wurde als Hausaufgabe für einen Konfliktmanagement Workshop an der Uni verfasst.